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Meldung vom 27.05.2010

Der Mauerbau von D?sseldorf

Ein pers?nlicher Bericht von R?diger Sagel

Der altbekannte Kampf um die Deutungshoheit und eine verkl?rende Geschichtsschreibung, warum rot-rot-gr?n in NRW gescheitert ist, hat begonnen. Von mir als Mitglied der LINKEN Sondierungskommission hier ein pers?nlicher Bericht.

Vorausschicken m?chte ich, dass es sich um eines der skurrilsten politischen Erlebnisse w?hrend meiner mehr als 30-j?hrigen politischen T?tigkeit handelt. Allein, dass man hier im Westen der Republik mehr als 20 Jahre nach dem Mauerfall das "Verh?ltnis zur ehemaligen DDR" zum zentralen Thema einer m?glichen Koalition in NRW macht, ist schon mehr als beachtlich. Es gibt offensichtlich nicht nur immer noch eine Mauer in den K?pfen von etlichen Sozialdemokraten und Gr?nen. In D?sseldorf wurde vielmehr der - erfolgreiche - Versuch unternommen, die DDR und ihre Mauer auch politisch als Abwehrbollwerk gegen rot-rot-gr?n wieder aufzubauen.

Dass dieses politische "Gesch?ft" des Mauerbaus von SPD und Gr?nen und nicht wie sonst ?blich von CDU und FDP in teils polemischer und offener Provokation w?hrend eines mehrst?ndigen Gespr?chs betrieben wird, ist eigentlich infam. Es wird letztlich nur durch die gro?e Angst, insbesondere der SPD, vor der medialen Macht sowie den dahinter stehenden und einflussreichen Kreisen aus Kapital und Unternehmen erkl?rbar. Dass wir LINKE die offenen Angriffe, in dem als "Gesinnungstest" inszenierten und teils ?blen Treffen, mit weitgehender Ruhe, sachlich und inhaltlich fundiert pariert und ?berstanden haben, verdient schon allein die Hochachtung vor den LINKEN Mitgliedern der Sondierung. Wir haben mit gro?er - vielleicht zu gro?er - Geduld versucht, die M?glichkeiten f?r einen wirklichen Politikwechsel zu sondieren und m?gliche Probleme zu identifizieren und wenn m?glich auszur?umen. Wenn wir dies aber nicht so selbstbewusst gemacht h?tten, w?re das Gespr?ch nach 30 Minuten vorbei gewesen.

Doch die Angst hat bei SPD und Gr?nen gesiegt! Dies stand offenbar schon vorher fest. Nach wochenlangem Beschuss in der ?ffentlichkeit und teilweise extrem verf?lschenden medialen Darstellungen einer klar positionierten Presse ist es damit erneut gelungen rot-rot-gr?n zu verhindern. Dies obwohl daf?r zum f?nften Mal eine parlamentarische Mehrheit vorhanden war. Offensichtlich mussten SPD und Gr?ne diesen Weg der politischen Inszenierung w?hlen, um der ?ffentlich als "extremistisch" und "verfassungsfeindlich" bezeichneten LINKEN und ihren NRW-Abgeordneten den "schwarzen Peter" f?r ein weiteres Scheitern der rot-rot-gr?n Perspektive zuzuschieben. Die Angst vor der "Ypsilanti-Falle" l?sst gr??en. Dass es sich dabei um ein abgekartetes Spiel und um eine Alibi-Veranstaltung handelte, wurde in den mehr als f?nf Stunden zunehmend deutlich. Es war ein geplantes Scheitern, unter anderem mit dem Ziel, den eigenen Anh?ngern von rot-rot-gr?n den Weg zu verbauen, um sie in eine gro?e oder doch noch eine Ampel Koalition mit den Rechten mitnehmen zu k?nnen.

Die anfangs noch einigerma?en unverkrampfte Stimmung kippte sehr schnell. Kein Wunder, denn SPD und Gr?ne mit ihren Protagonistinnen Kraft und L?hrmann hatten einen klaren Fahrplan des Scheitern, den es abzuarbeiten galt und den sie massiv vortrugen. Zun?chst in einem offensichtlich gut abgesprochenen Ping-Pong Spiel allein dieser beiden. (Bei den Gr?nen meldete sich au?er Volker Beck w?hrend der gesamten Debatte ?berhaupt fast niemand zu Wort!) Nach der aggressiven Anfangsphase wurde es dann zunehmend z?h. Wolfgang Zimmermann bem?hte sich trotzdem immer wieder ruhig und sachlich argumentierend alle Fragen zu beantworten und m?gliche ?bereinstimmungen auszuloten. Doch es kippte immer mehr, da alles Gesagte immer massiv in Frage gestellt wurde.

Grunds?tzlich ist festzustellen: F?r die LINKE in NRW war es keine Selbstverst?ndlichkeit sich mit SPD und Gr?nen, die uns "aus dem Landtag raushalten" wollten, da wir "nicht gebraucht" werden, an einen Tisch zusetzen. Dies umso mehr, als bereits im Wahlkampf immer wieder mit vorurteilsbeladenen Behauptungen polemisiert wurde. Wir haben uns trotzdem einstimmig daf?r entschieden zu sondieren, denn Politik ist kein Selbstzweck und wir wollen ernsthaft bessere Lebensbedingungen f?r die Menschen in NRW schaffen.

In dem wirren Gespr?ch haben wir als LINKE und vor allem Katharina Schwabedissen hervorragend argumentierend im Weiteren dann immer wieder versucht deutlich zu machen, dass wir mit der DDR und der Politik, die dort gemacht wurde, nichts, aber auch gar nichts, zu tun haben und die DDR genau das "Gegenteil" von dem war, was wir heute politisch wollen. Dass von uns vorgelegte Papier, mit Ausz?gen aus den programmatischen Eckpunkten und den NRW-Positionen zur Landespolitik, die dies, unser Demokratieverst?ndnis und unser Verh?ltnis zur DDR-Diktatur erl?utern, wurde als unzureichend bezeichnet. Immer wieder wurden vielmehr, insbesondere von Gr?nen wie Volker Beck, der in dem "Verfahren" als Bundestagsabgeordneter (!) eine nicht nur mehr als tragende, sondern teilweise dominierende Rolle hatte, angebliche Missverst?ndnisse und vermeintliche Unklarheiten konstruiert. Selbst Aussagen der LINKEN, die wir auch bereit waren zu unterschreiben, wie: "Die DDR war kein demokratischer Rechtsstaat, die DDR war eine Diktatur" reichten nicht dazu aus, auf einen Nenner zu kommen. Immer wieder wurde trotzdem von Relativierungen gesprochen. Dass wir hier in NRW sind, uns zur aktuellen Situation und uns zum Beispiel im Hinblick auf Rechtsextremismus st?rker positionieren und engagieren m?ssen, wollte man auf Seiten von SPD und Gr?nen nicht h?ren. "Relativierung!" Dass es auch im Westen und auch aktuell immer noch Demokratieprobleme gibt, wurde sofort als "Gleichsetzung!" gewertet. Wie im ?brigen auch alles andere Kritische als "Gleichsetzung!" gewertet wurde, was hier bei uns passiert.

Immer wieder wurde auf das Wort "Unrechtsstaat" abgestellt. Dass es sich hierbei um einen Kampfbegriff vom rechten Rand der CDU handelt (siehe Erl?uterungen am Ende dieses Textes), der eine Gleichsetzung zwischen Nazi- und DDR-Regime vornimmt, schien SPD und Gr?nen, die sich zunehmend in die Begrifflichkeit hineinsteigerten, weder klar zu sein noch zu interessieren. Au?erdem n?tigte man uns zunehmend, die weder vorliegende, noch allen im Detail bekannte "Th?ringer Erkl?rung" zu unterschreiben. Dass wir hier nicht in Th?ringen sondern in NRW sind, wurde nicht akzeptiert. Als ich nach langer Debatte dann selber konkret die Frage stellte, ob die Unterschrift unter das Wort "Unrechtsstaat" die alleinige Bedingung f?r eine m?gliche Koalition in NRW sei, wich man dann aber aus. Kein Wunder, niemand w?rde vermutlich in der ?ffentlichkeit verstehen, warum eine Koalition in NRW im Jahr 2010 am Wort "Unrechtsstaat" gescheitert ist. An dieser Stelle wurde dann aber im Konsens festgehalten, dass man orientiert an der noch zu erweiternden "Brandenburger Erkl?rung" eine auf NRW bezogene demokratische Grundsatzerkl?rung verfassen k?nne.

Nach mehr als zwei Stunden Debatte zur "DDR" (!) kam dann das Thema Verfassungsschutz in einer weiteren Grundsatzdebatte an die Reihe. Nachdem die LINKE erkl?rt hatte, dass wir den Verfassungsschutz in NRW nicht sofort abschaffen wollten, dass dies zwar in unseren Programm stehe und wir auch grunds?tzlich daran festhalten, aber dies mit SPD und Gr?nen wohl nicht in dieser Legislaturperiode machbar sei, wurden auch da trotzdem "k?nstlich" Probleme inszeniert. Ob wir denn bereit seien, im Landeshaushalt eine Grundausstattung f?r den Verfassungsschutz zu finanzieren? Wir haben das bejaht, aber angemerkt, dass man doch trotzdem eine st?rkere demokratische Kontrolle gew?hrleisten solle und man sich auch mit dem Personalumfang besch?ftigen solle und was die dort beim Verfassungsschutz, zum Beispiel V-Leute, so machen. Dies wurde dann sogleich als Kritik an SPD und Gr?nen und ihrer bisherigen Arbeit hochstilisiert. Zudem wurde, da wir die Personalfrage zumindest er?rtern wollten, uns das Ganze als "Abschaffung auf kaltem Wege" untergejubelt.

Ganz zum Schluss kam dann in einer guten halben Stunde (!) das Thema Landeshaushalt noch dran. Interessant war hier die Aussage von Frau Kraft: "Der Wahlkampf ist vorbei. Die Programme m?ssen jetzt einem Realit?tscheck unterzogen werden". Faktisch hei?t das offensichtlich, dass zumindest das Programm der SPD nicht das Papier wert ist, auf dem es geschrieben steht. Denn die finanzpolitische Realit?t ist katastrophal, doch das war ja auch schon vorher bekannt. Unseren Ausf?hrungen, dass wir Initiativen zur Verbesserung der Einnahmesituation, vor allem im Bundesrat, starten m?ssten und die wenigen vorhandenen M?glichkeiten im Landeshaushalt NRW nutzen m?ssen, wurde nicht widersprochen. Wie auch insgesamt eigentlich keinem, der von uns gemachten Statements zur Lage und weiterem Vorgehen, wie Kassensturz, auf absehbare Zeit investive schuldenorientierte Anreizpolitik etc. widersprochen wurde. Das hei?t bei der konkreten Politik in NRW gab es zun?chst mal keine grunds?tzliche Differenz. Lediglich beim Thema Abbau von Stellen, wobei zur Zeit 8700 k.w. (kann wegfallen) gestellt sind, gab es eine Auseinandersetzung. Die LINKE betonte, wir wollen keinen Personalabbau! Als dass immer wieder kritisch hinterfragt wurde, habe ich gefragt, ob das denn hei?e, dass SPD und Gr?ne die 8700 Stellen abbauen wollten. Da gerieten beide Parteien ins Schleudern. Man redete sich dann heraus, Originalton Kraft: "Das hei?t noch nicht, dass wir die Stellen abbauen wollen". Man darf gespannt sein! Wie auch auf die Gr?nen, die bei den 200 000 Arbeitspl?tzen, die sie schaffen wollen, ebenfalls schwer ins Schlingern gerieten. Anreizfinanzierungen zur Schaffung dieser Stellen wolle man geben, aber nat?rlich keine ?ffentlichen Stellen einrichten. Auch da darf man gespannt sein. Die Zeit ist gekommen, wo aus den Luftnummern und Wahlkampfblasen jetzt die Luft rausgelassen wird, siehe Eingangszitat von Kraft!

Eine fast schon am?sante Anekdote ereignete sich noch, als es um die Standhaftigkeit einer m?glichen Koalition ging und dem Verhalten der Abgeordneten zu Beschl?ssen. Nachdem die LINKE deutlich gemacht hatte, dass wir Entscheidungen im Dialog und im demokratischen Konsens zwischen Basis, Partei und Fraktion treffen und dazu stehen w?rden, wobei nat?rlich auch ein Protest nicht g?nzlich auszuschlie?en sei, stellten wir diese Frage an die SPD. Frau Kraft antwortete, dass sie ihre 19 neuen Abgeordneten nicht alle kennen w?rde und was sie mittragen w?rden. Woraufhin ihr die parlamentarische Gesch?ftsf?hrerin der SPD Carina G?decke ins Wort fiel und ihr sagte, dass es 30 neue Abgeordnete seien, was bei Kraft zu offensichtlicher Verwirrung f?hrte. Die Erw?hnung von uns, dass die Gr?nen das sogenannte Spiel ?ber Bande mit Fraktion und au?erparlamentarischem Protest in der Vergangenheit in einer Koalition mit der SPD immer wieder gespielt haben, f?hrte zu Lachern bei der SPD.

Das ganze abgekartete Spiel wurde am Ende auch noch einmal entlarvend deutlich. Hannelore Kraft trat mit fertiger und offensichtlich vorher vorbereiteter und ausgedruckter Erkl?rung in der Hand vor die Presse. Zeitgleich zu ihrem gemeinsamen Auftritt mit Sylvia L?hrmann vor den Kameras lief bereits im Hotelfernseher live bei NTV im Laufband, dass die SPD nach Scheitern der Verhandlung, die CDU eingeladen habe.

Als letztes noch ein pers?nlicher Eindruck. Die Debatte war uns?glich und hatte mit Landespolitik und was die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen angeht so gut wie nichts zu tun. Besonders unertr?glich war der gelackte und im schwarzen Designeranzug polemisch und ?berheblich argumentierende und gelegentlich umherstolzierende Volker Beck. Sein geschichtliches Verst?ndnis, die Leugnung und Umkehr ehemals gr?ner Identit?ten, so wie das Vergessen der Entstehungsgeschichte der Gr?nen ist mehr als beachtlich. Mit seinen infamen und unterstellenden ?u?erungen ist es wirklich ein Wunder, dass unsere Leute so ruhig blieben. Ich wei? nicht wie sich jemand wie Beck, der sich immerhin in einer Partei mit Leuten befindet, die eine politische Sozialisation wie B?ll-Stiftungsvorsitzender Ralf F?cks (KBW) oder Bundestagsfraktionsvorsitzender J?rgen Trittin (KB) oder stellvertretender NRW-Fraktionsvorsitzender Reiner Priggen (MSB Spartakus) haben, so entbl?den und darstellen kann. Erkl?rlich wird dies wohl nur durch die Leugnung der eigenen Geschichte auch dieser Leute, die dies hinnehmen. Wie sich Beck, einige andere Gr?ne und auch vor allem j?ngere SPD-Leute in dieser Runde verhielten, das spottet jeder Beschreibung.

Anmerkungen:

1. Wikipedia: In der Rechtsprechung deutscher Gerichte werden sowohl das ?Dritte Reich?[6] als auch die DDR[7] als Unrechtsstaat bezeichnet.

2. Die DDR: (K)ein Unrechtsstaat? - ARTE
"Unrechtsstaat? ist ein Kampfbegriff aus dem Konrad-Adenauer-Haus.

3. 12.05.2009, 23:00
?Unrechtsstaat?

B?rgerrechtler nennt Merkels DDR-Kritik verlogen

Kanzlerin Merkel besteht auf dem umstrittenen Begriff ?Unrechtsstaat? f?r die DDR. Der Theologe und B?rgerrechtler Friedrich Schorlemmer sieht darin nichts als Wahlkampf ? und warnt vor b?sen Folgen. Mit dem Begriff ?Unrechtsstaat? werde man dem wirklichen Leben in der DDR nicht gerecht, sagte Schorlemmer der in Rostock erscheinenden ?Ostsee-Zeitung? vom Mittwoch. Schorlemmer warf Angela Merkel (CDU) vor, mit dem Begriff r?cke sie die DDR in die N?he zum Nazisystem. ?Das ist verlogen und hat offenbar mehr mit dem Wahlkampf gegen die Linke zu tun als mit wirklichem Erleben?, sagte Schorlemmer.
Es ?rgere ihn, wenn Merkel auf das Aburteilen der DDR bestehe und auf jene Differenzierungen verzichte, die der Ministerpr?sident von Mecklenburg-Vorpommern Ernst Sellering (SPD) zu Recht einfordere.



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