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Meldung vom 02.07.2007

Interview in der drau?en!: Zeit zu gehen

R?diger Sagel: ?Zeit zu gehen?

Herr Sagel, Sie waren ?ber 18 Jahre bei den Gr?nen und sitzen f?r sie im Landtag. Jetzt haben Sie die Partei verlassen. Warum?

Insgesamt habe ich sogar 27 Jahre mit den Gr?nen zusammen gearbeitet. Schon 1980 war ich, damals noch in Aachen, im Wahlkampf f?r den K?nstler Josef Beuys aktiv, der Bundestags-Spitzenkandidat der Gr?nen war. In M?nster bin ich seit 18 Jahren Mitglied und sitze seit neun Jahren im Landtag. Jetzt bin ich ausgetreten, weil z.B. Gewaltfreiheit, ein urgr?ner Wert, bei den Gr?nen kein Thema mehr ist. Die Gr?nen im Bund haben sich im Gegenteil zuletzt mehrheitlich f?r den Tornado-Einsatz in Afghanistan ausgesprochen und verstricken sich immer tiefer in den Krieg. Dies im Widerspruch zum Bundesparteitag im Dezember der beschlossen hatte, dass es keine Ausdehnung des Mandats auf den S?den des Landes geben sollte. Zweitens kritisiere ich deutlich, die Sozialpolitik und die Hartz-Gesetze. Es fehlt an sozialer Gerechtigkeit und die Politik der Gr?nen hat sich da leider auch in der Opposition nicht ge?ndert. Der dritte Grund f?r meinen Austritt ist die wirtschaftsliberale Ann?herung der Partei an die CDU. Eine schwarz-gr?ne oder sogar eine Jamaika-Koalition mit Christdemokraten und FDP soll zuk?nftig m?glich sein. Die Partei weicht aus machttaktischen Gr?nden immer weiter von urspr?nglichen Positionen ab.

Castor-Transporte, der Kosovo-Einsatz, der Atomkompromiss ? in den wichtigsten Punkten lagen Sie mit Ihrer Partei doch schon seit langem ?ber Kreuz. Warum also gerade jetzt der Bruch?

Meine Hoffnung war, dass sich die Gr?nen auf Bundes- und Landesebene in der Opposition wieder mehr links orientieren. Aber das war nicht so, im Gegenteil die Partei hat sich weiter in die politische Mitte verschoben. Bewegungen, mit denen die Gr?nen einmal eng zusammengearbeitet haben, wie die Friedensbewegung der OstermarschierInnen, ermussten sich massive Kritik von Claudia Roth - und auch vom m?nsterschen Bundestagsabgeordneten Winnie Nachtwei - gefallen lassen. Vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm dann sogar auch noch die GlobalisierungsgegnerInnen von Attac. Da war mir klar: Ich kann so keine Gr?ne Politik mehr machen, es ist Zeit zu gehen.

Die Gr?nen sind aber anderer Meinung: In einem offenen Brief an Sie hat der Ortsverband M?nster erkl?rt, er k?nne Ihre Entscheidung nicht verstehen, weil doch die Partei in der j?ngsten Vergangenheit einige Kurskorrekturen vorgenommen h?tte, die Ihnen entgegengekommen w?ren?

Das sehe ich ?berhaupt nicht so! Beim Thema Afghanistan sind die Gr?nen immer noch davon ?berzeugt, dass Deutschland dort milit?risch pr?sent sein muss. An der Hartz-Politik wird bei den Gr?nen in Berlin festgehalten, auch wenn das in NRW etwas anders gesehen wird, und was die Wirtschaftspolitik angeht, gibt es kaum noch Kritik an der liberalen Politik der Bundestagsfraktion.

Wenn man eine Partei verl?sst, ist das nicht nur eine politische Entscheidung. Damit sind auch Freundschaften, pers?nliche Kontakte und so weiter verbunden. Wie geht es Ihnen damit, auf einmal Einzelk?mpfer zu sein?

Es war ein schwieriger Prozess und bestimmt keine leichte Entscheidung. Doch viele meiner engen ParteifreundInnen sind schon in den vergangenen Jahren ausgestiegen, zum Beispiel bei der Gr?nen Entscheidung f?r den Jugoslawien/Kosovo-Einsatz der Bundeswehr. Viele Leute stehen immer noch mit mir in Kontakt oder kommen neu auf mich zu, auch wenn ich damals geblieben bin, weil mir auch die ?kologischen Ziele der Gr?nen wichtig waren. Etliche wie ich haben immer wieder ?berlegt auszutreten, denn es gibt unter den Gr?nen eine ganze Menge Linke. Ich finde jetzt aber, dass Linke bei den Gr?nen inzwischen keine politische Heimat mehr haben.

Ist es nicht ein grunds?tzliches Missverst?ndnis, die Gr?nen als linke Partei zu betrachten? Hat es nicht immer nur einen linken Fl?gel gegeben, der bei den wichtigen Entscheidungen im Endeffekt wenig zu melden hatte?

In den 80ern waren die Gr?nen ganz deutlich links, sp?ter dann zunehmend weniger. Anfang der 90er sind die ?kosozialisten aus der Partei ausgetreten und die so genannten Fundis um Jutta Dittfurth. Dann auch viele Pazifisten, wegen den Kosovo und Afghanistan Beschl?ssen. Andere sind wegen der Sozialpolitik gegangen. Nun sind die Gr?nen in der Mitte des politischen Spektrums angekommen.

K?nnte es nicht sein, dass die Regierungsbeteiligung die Mitglieder und besonders die F?hrungspersonen ver?ndert hat. Leute, die als Linke angefangen haben, sind bei dem Marsch durch die Institutionen erstaunlich b?rgerlich geworden?

Die Gr?nen waren von Anfang an sicherlich auch eine b?rgerliche Partei, weil gerade auch die jungen Mitglieder eher aus dem b?rgerlichen Milieu stammten. Aber nat?rlich hat die Regierungsbeteiligung auf Landes- und Bundesebene die Gr?nen deutlich ver?ndert. Aber sie haben sich bewusst nach rechts verschoben, das kritisiere ich. Weil sie inzwischen auf andere W?hlerInnen abzielen und f?r Koalitionen nach allen Richtungen offen sein wollen - auch mit der CDU.

Sie waren kurz nach dem Austritt als Gast auf dem Parteitag Der Linken in Berlin. Haben Sie dort schon den Wechsel vorbereitet?

Die neue Linkspartei ist f?r mich eine interessante politische Alternative, deswegen will ich mir genau ansehen, was sie politisch macht. Es sind ja auch schon eine ganze Menge ehemaliger gr?ner ParteifreundInnen von mir dort. Mit denen habe ich auch Kontakt. Aber es ist noch zu fr?h f?r eine Entscheidung. In Nordrhein-Westfalen gr?ndet sich der Landesverband erst im Oktober. Ich will politisch weiterarbeiten, aber bei einer Partei nur mit einem Programm, das ich auch vertreten kann, das meinen Grundwerten entspricht.

F?r die Linkspartei w?ren Sie ein willkommenes Mitglied. Weil Sie etwas mitbringen, dass die Linke in NRW nicht hat ? ein Landtagsmandat?

Ich werde mein Mandat behalten, weil ich zu alten Grundwerten stehe, die Gr?ne einmal vertreten haben. ?kologie ist bei der Linkspartei aber noch nicht das gro?e Thema, auch von daher bin ich und andere f?r sie interessant. Denn ohne eine vern?nftige Umweltpolitik wird es auch keine sozial gerechte Politik geben. Das wird bei der Globalisierung sehr, sehr deutlich. Ich werde sehen, was sich da perspektivisch ergibt. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.

Ihre alte Partei fordert Sie auf, das Mandat zur?ck zu geben?

Ich fordere die Gr?nen auf, sich inhaltlich mit dem auseinander zu setzen, was ich kritisiere und sich auch wieder in diese Richtung zu entwickeln und nicht noch weiter weg von dem, was sie politisch in der Vergangenheit vertreten haben.

Die Gr?nen werfen Ihnen vor, bei der Landtagswahl, die erst zwei Jahren her ist, noch Ihren Kopf auf Wahlplakaten f?r die Ziele der Partei hingehalten zu haben. Deshalb m?ssten Sie nun Ihr Mandat auch fairerweise abgeben?

Meine politischen Positionen haben sich ?berhaupt nicht ver?ndert. Ich habe vor zwei Jahren schon genau das vertreten, was ich heute auch vertrete. Der Unterschied ist eben, dass ich vor zwei Jahren noch die Hoffnung hatte, dass die Gr?nen sich wieder in die Richtung entwickeln, f?r die ich stehe. Das Gegenteil ist aber der Fall und die Gr?nen haben bei der Landtagswahl gerade auch links Stimmen mit mir geholt, der f?r eine linke Politik steht. Deshalb weise ich die Aufforderung der Partei zur?ck, mein Mandat abzugeben. Mandate geh?ren nicht Parteien sondern man soll W?hlerinnen und W?hler vertreten. Ich werde jetzt erstmal partei- und fraktionslos weiter in diesem Sinne Politik machen.

Was meinen Sie: Wie wird sich die politische Landschaft in Deutschland nach der Gr?ndung der Linkspartei ?ndern?

Sie ist bunter, interessanter und vielf?ltiger geworden. Ich bin der Ansicht, dass SPD, Gr?ne und Linke zusammen eine Perspektive haben m?ssen, die Regierung zu stellen. Bei den letzten drei Bundestagswahlen gab es eine Mehrheit links von FDP und CDU. Doch nur zweimal regierte sie auch. Die jetzige neoliberale, unsoziale und un?kologische Politik der gro?en Koalition darf nicht die Zukunft sein. Genauso wenig bietet Schwarz-Gr?n oder die Jamaica Koalition eine soziale und ?kologische Perspektive. Weder im Bund, noch im Land, noch in M?nster.


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